„Der große Gatsby“ erzählt von dem (Fitzgerald selbst nachempfundenen) hoffnungsvollen Nachwuchsautor Nick Carraway: Er kommt im Frühjahr 1922 aus dem Mittelwesten nach New York City, das von lockeren Moralvorstellungen, Jazz-Glamour, mächtigen Alkoholschmugglern und ins Astronomische steigenden Aktien geprägt wird. Auf seiner Suche nach dem amerikanischen Traum wird Nick der Nachbar des geheimnisvollen, rauschende Feste feiernden Millionärs Jay Gatsby. Auf der anderen Seite der Bucht wohnt seine Cousine Daisy mit ihrem Mann, dem blaublütigen Frauenhelden Tom Buchanan. So erlebt Nick die faszinierende Welt der oberen Zehntausend und lernt ihre Illusionen, Romanzen und Täuschungsmanöver kennen.
Leonardo DiCaprios Schauspiel ist, wie auch schon in Django Unchained, das Beste am gesamten Filmwerk. Bei letzterem Streifen hätte man locker im letzten Drittel den Kinosaal verlassen können und hätte doch nichts Wichtiges verpasst.
Beide Filme können Paradebeispiele dafür sein, dass das Empfinden der Allgemeinheit oft nichts mit den persönlichen Präferenzen zu tun hat. Was nicht bedeutet, dass der eine oder der andere falsch liegt, sondern lediglich, dass Geschmäcker verschieden sind. Oder muss man in der Tat schon an seiner Urteilsfähigkeit zweifeln, wenn die Meinungen so stark auseinander liegen?
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Nur Michael Bay hätte weniger Subtilität aus der Vorlage herausgekitzelt.“ - Peter Bradshaw, Guardian
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Die fatale Überbietungsästhetik kann selbst der oscarreif spielende Leonardo DiCaprio nicht retten.“ - Harald Jähner, Berliner Zeitung
"Die Adaption des Literaturklassikers ist Bilderkino in Perfektion und noch viel mehr, wenn sich dahinter die Schicksale ihren Weg schlagen. Thanks again, Mr. Luhrmann, für weitere 142 Minuten Inbegriff eskapistischen Rausches und übergroßer Gefühlswelten." -christiansfoyer.de
Die Bewertungen reichen von also herausragend bis schwach, wobei die Gewichtung eindeutig auf "ästhetisch aufregend" und Ähnlichem liegt.
Tatsche ist, dass man den lieben
Django locker in zwei Teile hätte hälften können, wie man es zuvor schon mit
Kill Bill getan hat. So wären das ständige Abschlachten und die stundenlangen Dialoge und Monologe, die natürlich typisch für Tarantino sind und schon Kultstatus haben, halbwegs erträglich gewesen. Österreicher in Hollywood hin oder her - Waltz stielt DiCaprio in den Augen des allgemeinen Publikums die Show und gewinnt so seinen zweiten Oscar. Dass die Rezensentin dieser Auszeichnung nicht zustimmen kann, war der Hauptgrund, Baz Luhrmanns
Gatsby eine Chance zu geben. Für jemanden, der kein Fan von Musicals ist, ein großer Schritt. DiCaprios Leistung steigert sich unumstößlich zusehends von Film zu Film und ist so fast schon ein Garant für Erfolg des jeweiligen Filmwerkes, in dem man ihn besetzt.
Wie schon
Romeo und Julia 1996 und
Moulin Rouge 2001 ist
The Great Gatsby bunt und schrill und ist für Menschen, die keine Fans von Musicals sind, mit Vorsicht zu genießen.
Abgesehen davon, dass die Musik ausgezeichnet und perfekt auf den Ton des Filmes abgestimmt war und man immer auf eine qualitative Darstellung Leonardo DiCaprios zählen kann, kann dem Film nichts weiter abgewonnen werden.
Die Roaring Twenties in der aufregendsten Stadt der Welt auf der großen Leinwand in Szene zu setzen und das Feeling dieser Zeit einzufangen, ist unstrittig gelungen. Ebenso ist das Werk fraglos bildgewaltig und in der 3D Version sicherlich noch um einiges eindrucksvoller.
Auch musikalisch war
The Great Gatsby aufregend. Durch Cover berühmter Stücke, die in einen gewissen 20ies Style umgemodelt wurden, muss man geradezu dazu veranlasst werden, sich unmittelbar nach Hören der Lieder den Soundtrack zuzulegen. Auf besagtem Soundtrack findet man Stücke von Jay-Z, Beyoncé und André 3000 (ein beeindruckendes Amy Winehouse Cover von
Back to Black), Jack White mit dem U2-Cover von
Love is Blindness oder die ewig schwermütig-romantische Lana del Rey, dessen Thema von
Young and Beautiful sich durch den Filmverlauf zog.
Doch in seinem Style erinnert Baz Luhrmanns
The Great Gatsby starkt an den schwachen Folgeteil des mitreißenden Biografiedramas Elizabeths I.,
Elizabeth – the Golden Age, in dem man außer wunderschönen Bildern und exquisiten Kostümen relativ wenig mitbekam. Das ewige sich-bei-schöner-Musik-im-Kreise-Umherdrehen lenkte oft von der Story ab und man fragte sich in
The Great Gatsby – um zum eigentlichen Thema zurückzukommen – oft, worauf die Geschichte eigentlich hinausläuft. Aus der Warte eines Nichtkenners von F. Scott Fitzgeralds Werk gesehen selbstverständlich. Man kann aber davon ausgehen, dass sich nur wenige Nichtamerikaner mit dem Gegenstand des Oeuvres vor Herauskommen des Filmes 2013 auseinandersetzten.
Welche Aussage verfolgt nun dieses Opus? James Gatz, der sich später selbst in Jay Gatsby umtaufte, ist der Inbegriff eines self-made Americans, eines aus einfachen Verhältnissen stammenden Mannes, der sich aus eigenem Schaffen hocharbeitet und in seinem späteren Leben zur New Yorker High Society gehört. Nicht nur das, er wirkt nicht im Mindesten wie ein neureicher Schnösel – sondern wie jemand, dessen Reichtum schon seit Generationen in der Familie liegt.
"All the old boundaries that separated the classes were being broken, and a new wave of instant millionaires, like Gatsby himself..... mingled with the polo-players who inhabited the stiff enclaves of the established rich of Long Island's Gold Coast."
("Alle alten Grenzen, die die Klassen trennten, wurden durchbrochen und eine neue Welle von Millionären über Nacht, wie auch Gatsby selbst, mischten sich unter die Polospieler, die die steifen Eklaven der etablierten Reichen von Long Islands Gold Coast bewohnten.")
Gatsbys Vergangenheit ist so geheimnisvoll wie er selbst. So viele Gerüchte, wie sich um den mysteriösen Mann drehen, gibt es sonst nur in Filmen über sich bekriegende High School Gören. Welche Gerüchte wahr sind und welche nicht, wird nach und nach gelüftet.
Die Geschichte um den großen Gatsby nimmt ein für mich nicht verständliches Ende, in dem er aufgrund eines Missverständnisses von dem eifersüchtigen Besitzer einer Werkstatt ermordet wird, ohne Nachricht Daisys und so ohne Aussicht auf eine Zukunft mit seiner Geliebten.
Die Moral von der Geschichte könnte vielleicht sein, dass man in Wirklichkeit nicht so viele Freunde hat, wie man denkt und man sich auf diejenigen besinnen sollte, die einem menschlich treu sind. Doch was wurde aus der einst so leidenschaftlichen Liebe zwischen Gatsby und Daisy?
Eine Liebesgeschichte aufzubauen, die den Helden der Geschichte dazu veranlasste, Jahre nach der letzten Begegnung mit seinem weiblichen Gegenpart noch immer in diese verschossen zu sein und sein gesamtes Leben in Long Island darauf aufzurichten, seine Angebetete wieder zu sehen, und diese Liebesgeschichte dann damit enden zu lassen, die Gefühle der Angebeteten dann wie von Zauberhand verschwinden zu lassen, als wäre nie etwas zwischen den beiden gewesen, ist ohne Sinn, es ist nicht einmal tragisch genug, um Gefühle der Trauer zu erwecken.
Eine Romanze à la Romeo und Julia wäre zumindest bis zu einem gewissen Grad logisch, und vor allem eines: mitreißend. Doch stattdessen kehrt die herzlose Daisy ihrem Herzblatt den Rücken, um ihre restlichen Tage mit ihrem Ehemann Tom zu verbringen. Ihre Motive sind unklar, unverständlich und wie aus dem Nichts machen die Gefühle Daisys eine 180 Grad Wendung, die nur verblüffen kann.
Das beklemmende Gefühl der Sinnfreiheit dieser Geschichte lässt sich auch nach näherer Analyse des Geschehenen leider immer noch nicht auflösen, auch wenn der Film über weite Strecken Humor beweist, in dem er sich mehrfach über seinen Titelhelden mockiert.
(ss)
Bildmaterial: © Warner Bros. Entertainment
Titelbild: Copyright: ©2013 BAZMARK FILM III PTY LIMITED; Photo Credit: DANIEL SMITH; Caption: (L-r) CAREY MULLIGAN as Daisy Buchanan and LEONARDO DiCAPRIO as Jay Gatsby in Warner Bros. Pictures' and Village Roadshow Pictures' drama "THE GREAT GATSBY," a Warner Bros. Pictures release.