Hollywood ist nahezu überfüllt von schönen, reichen und glücklichen Menschen, mit denen viele von uns augenblicklich tauschen würden. Doch diese (Glanz)Welt ist manchmal mehr Schein als Sein – reich, beliebt und depressiv: Das aktuell prominenteste Beispiel, Schauspielerin Catherine Zeta Jones, zeigt, dass Depressionen jeden treffen können.
Auf dem Weg zur Volkskrankheit
„Depressionen sind häufige, schwere und oft lebensbedrohliche Erkrankungen, die jeden treffen können“, erklärt Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.1 Die Betroffenen leiden unter einer andauernden Niedergeschlagenheit (lat. deprimere = niederdrücken), aus der sie sich selbst nicht befreien können. Auch Oscar-Preisträger Dustin Hoffman kämpft gegen das andauernde Stimmungstief an, wie er erst vor kurzem bekannte: "Man verliert die Lebenskraft, die Depression blockiert dich, sie ist das Leid des Lebens und manchmal verliert man den Kampf."
Alarmierend ist auch die Zahl an Suiziden: Etwa 11.000 Erkrankte nehmen sich in Deutschland pro Jahr das Leben. Damit übersteigt diese Zahl die der Verkehrstoten deutlich.
1Quelle: Stiftung Deutsche Depressionshilfe
Betroffene sind entmutigt und ängstlich
Traurigkeit, Minderwertigkeitskomplexe, Angst und Antriebslosigkeit, aber auch körperliche Symptome wie innere Unruhe, Erschöpfungszustände, Schlaf- und Appetitlosigkeit können den Alltag der Patienten erheblich erschweren. Treten Phasen grundloser, übermäßig gehobener Stimmung auf, spricht man von einer bipolare Störung. Sie zeigt sich durch unwillkürliche, nicht kontrollierbare entgegengesetzte Emotionen, die abwechselnd in Richtung Depression oder Manie reichen.
Frauen häufiger betroffen
Schätzungen zufolge sind etwa 50 % der deutschen Bundesbürger schon einmal direkt von der Krankheit betroffen gewesen oder zumindest als Angehörige in das Krankheitsbild eines Nahestehenden involviert worden. Auch belegen die Statistiken der Krankenkassen eine deutliche Zunahme von Arbeitsunfähigkeitstagen aufgrund von Depressionen. Frauen haben zudem ein erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens eine Depression zu entwickeln. So können z. B. hormonelle Ursachen für die depressive Stimmung verantwortlich sein, wie die sog. postpartalen Stimmungskrisen, zu denen auch die Wochenbett-Depressionen zählen. Auch die Schauspielerin Gwyneth Paltrow hatte nach der Geburt ihres Sohnes mit dem „Baby-Blues“ zu kämpfen: "Zu meinen schlimmsten Zeiten war ich ein Roboter. Ich habe nichts gefühlt. Ich hatte keinen mütterlichen Sinn für ihn, es war schlimm.“
Es gibt viele Ursachen…
Studien ergaben, dass sowohl eine genetische Disposition, aber auch sog. Umweltfaktoren wie Stress und andere psychische Belastungen einer depressiven Erkrankung zugrunde liegen.
… und verschiedene Therapiemöglichkeiten
Da das Krankheitsbild bei jedem Menschen anders ausgeprägt ist, gibt es auch unterschiedliche Therapieformen. Die häufigste ist jedoch eine Kombination aus einem psychotherapeutischen Verfahren und der Verabreichung von Antidepressiva. Meist führt dies schon zum Behandlungserfolg und die Betroffenen können wieder ein normales und erfülltes Leben führen. Mehr als 80 % der Erkrankten kann dauerhaft geholfen werden.
Interview mit Prof. Dr. med. Thomas Schläpfer, Stellvertretender Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Uniklinikums Bonn
mp: Ab wann spricht man von einer Depression?
Prof. Dr. med. Thomas Schläpfer: Von einer klinischen Depression spricht man, wenn depressive Symptome wie Konzentrationsstörungen, ausgeprägte Freudlosigkeit, Appetitlosigkeit und Hoffnungslosigkeit in starker Ausprägung für länger als zwei Wochen vorhanden sind und das normale Funktionieren im Alltag beeinträchtigen.
mp: Sind Frauen häufiger betroffen?
Prof. Dr. med. Thomas Schläpfer: Ja, bei Frauen wird in der Tat etwa doppelt so häufig eine Depression diagnostiziert wie bei Männern. Es gibt viele Hypothesen, die versuchen, diese Tatsache zu erklären. Die überzeugendste ist vielleicht, dass Frauen viel eher dazu bereit sind, bei ihrem Arzt über psychiatrische Symptome zu sprechen und ihre veränderte Gefühlslage zu reflektieren. Bei Männern verstecken sich klassische depressive Symptome oft hinter explosiven Gefühlsausbrüchen, verminderter Geduld sowie sozialem und kommunikativem Rückzug. Es könnte also durchaus sein, dass Depression grundsätzlich bei beiden Geschlechtern etwa gleich häufig vorkommt, bei Männern aber seltener als solche erkannt werden.
mp: Gibt es einen Typen, der besonders anfällig ist?
Prof. Dr. med. Thomas Schläpfer: Es kann davon ausgegangen werden, dass es eine notwendige Voraussetzung zum Auftreten einer Depression eine genetische Vulnerabilität, also eine vererbte Verletzlichkeit ist, die Menschen anfälliger für negative Auswirkungen von Stress macht. Diese Verletzlichkeit kann man Menschen nicht ansehen, zur Zeit nicht mit biologischen Untersuchungsmethoden feststellen und kommt auch nicht bei gewissen Persönlichkeitstypen mit großer Häufigkeit vor. Kurz gesagt, Depression kann jeden und jede treffen.
mp: Warum spricht man in der kalten Jahreszeit vom sogenannten „Herbst-/Winterblues“? Welche Auswirkungen hat die dunkle Jahreszeit auf die Stimmung und warum ist das so?
Prof. Dr. med. Thomas Schläpfer: Es gibt eine Unterform der Depression, die so genannte "saisonale Depression", die mit einer besonderen Häufung in den Wintermonaten auftritt. Diese Unterform der Depression spricht besonders gut auf die Lichttherapie an, aber auch bei anderen Depressionsformen kann es eine deutliche Verschlechterung der Symptome während der dunklen Jahreszeit geben. Es wird angenommen, dass der Grund für diese Verschlechterung der relative Mangel von gewissen Überträgerstoffen ist, die bei größerer Lichtexposition und größerer körperlicher Aktivität nicht so ausgeprägt ist.
mp: Welchen Nutzen haben pflanzliche Präparate und wann sollte man lieber zum Arzt gehen?
Prof. Dr. med. Thomas Schläpfer: Grundsätzlich können gewissen pflanzliche Präparate, insbesondere Johanniskrautextrakte bei sehr leichten Depressionsformen von einem gewissen Nutzen sein. Bei stärkerer Ausprägung der Symptome oder längerem Anhalten derselben sollte aber unbedingt der Hausarzt aufgesucht werden.
mp: Welche neuen Erkenntnisse gibt es in der Forschung?
Prof. Dr. med. Thomas Schläpfer: Ganz neue Erkenntnisse aus der Neurobiologie haben ein sehr viel klareres der der Depression zugrunde liegenden Veränderungen im Hirn gegeben. Insbesondere weiß man heute, dass Emotionen im Hirn durch ein ausgedehntes Netzwerk von Gefühlszentren im Hirn verarbeitet wird, von Zentren, die miteinander sowohl chemisch als auch elektrisch kommunizieren. Dieses neue Verständnis der Depression ermöglicht die Entwicklung von ganz neuen Therapieverfahren, die zur Zeit erforscht werden. Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass gerade für diejenigen Patienten, die an schwersten therapieresistenten Depressionen leiden, neue Behandlungsmöglichkeiten gefunden werden.
mp: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Burn-out und Depressionen?
Prof. Dr. med. Thomas Schläpfer: Nach meiner Meinung ist Depression und Burn-Out genau das gleiche, Burn-out ist lediglich ein Begriff, der nicht oder noch nicht gesellschaftlich stigmatisiert ist und der deshalb eine gewissen Berechtigung hat. Allerdings ist es wichtig, dass wir als Gesellschaft begreifen, dass die Depression eine Erkrankung ist, die alle betreffen kann und die in keiner Art und Weise nur Menschen betrifft, die sich nicht zusammenreißen können oder wollen.
mp: Was können Angehörige tun?
Prof. Dr. med. Thomas Schläpfer: Depression ist eine Krankheit, die nicht nur Patienten, sondern ganz oft auch deren Angehörige schwer belastet. Das größte Problem ist vielleicht, dass depressive Patienten emotionale Zuwendung nicht annehmen können und sie ablehnen und sie dadurch zu einer Rückweisungsreaktion bei ihren Angehörigen auslösen. Es ist wichtig zu wissen, dass depressive Patienten krankheitsbedingt Emotionen weder annehmen noch spüren können und deshalb in besonderem Maße Rücksicht und Toleranz brauchen.
mp: Wie groß ist die Heilungschance?
Prof. Dr. med. Thomas Schläpfer: Grundsätzlich spricht ein sehr großer Teil der Patienten auf eine Kombinationstherapie mit Psychotherapie und Medikamenten sehr gut an. Es ist aber von großer Bedeutung, dass man Medikamente über eine sehr lange Zeit, viele Monate nach dem Verschwinden der depressiven Symptome, weiter einnehmen muss, um einen Rückfall zu verhindern.
Quelle: medicalpress.de
Foto: african_fi