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„Ehe zu viert“ und weitere Polygamieversuche von Bertold Brecht
19.04.2013

Bei Erwähnung des Namens Bertold Brecht fallen einem gleich seine literarischen Werke ein: „Baal“, „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“, die berüchtigte „Dreigroschenoper“, die unersetzlich im Programm aller österreichischen Opern Platz findet. Doch sind auch Dramatikern und Schriftstellern die leidenschaftlichen menschlichen Seiten nicht fremd und sie schreiben nicht immer aus ihren verspielten Fantasien heraus, sondern fassen mehr ihre eigenen Erlebnisse und Beobachtungen in ihren Werken zusammen.
 
Angeblich - und eigentlich gibt es hier keine Zweifel mehr - hatte Bertold Brecht polygame Vorstellungen und lebte diese in seinen „Ehen zu…“ aus, wie in der „Ehe zu viert“ mit Margarete Steffin, Ruth Berlau, und Sabine Kebir. Alle monogamen Symbiosewünsche wies er zurück. Bekannt ist sein „Geruch der Leidenschaft“. Angeblich wusch er sich nie (oder zumindest selten).
 
Zu seiner Frauenwahl (auch wenn diese Wortzusammensetzung als Aufruf zur Kapitulation der Macht der Frauen zu verstehen ist, denn schließlich werden nicht Frauen von Männern, sondern Männer von Frauen ausgesucht) gehörten Frauen aus mittleren Kreisen. Das Wort „Wahl“ wurde absichtlich hier ausgesucht, denn von seinen polygamen Vorstellungen geprägt, suchte sich Brecht Frauen und Männer für seine Mannschaft aus, die dann mit ihm seine Werke zusammenfassten und auf dem Papier verewigten. Adelige Damen waren in seinen Kreisen nicht zu finden. Ernst soll jedoch Brecht alle Frauen genommen haben, mit denen er jeweils zusammen war. Doch so eine ausgezeichnete Partie, wie er sich selbst einbildete, war der deutsche Dramatiker wohl nicht. Isot Kilians Worte „Nach Brechts Tod kam nicht mehr viel“ sind kein Zeichen dafür, dass sie eine erfüllte, glückliche Frau war.  
 
Mit der Premiere am 6. April zeigte die Oper Graz mit der Aufführung „Der gute Mensch von nebenan“ eine Sicht auf Bertold Brechts Liebesleben, das man am besten mit dem Wort „erotisch-künstlerisches“ Leben zum Ausdruck bringt. In der Vorstellung wird der deutsche Dramatiker (Bernd Sračnik) als eine dominante Person dargestellt, die zusammen mit ihrem alten Ego (Uschi Plautz) ihre Lebenshöhepunkte gedanklich wieder erlebt. Aus seiner eigenen  Sicht war Brecht  für Frauen ein wahres Erlebnis und ihr Retter aus einer oft komplizierten Lage. Jedoch war sein Anteil an der Entwicklung der mit ihm zusammen lebenden Frauen eher re-, als progressiv. Denn in seiner Angst, Frauen könnten ihn in seiner Kreativität übertreffen, beschäftigte er sie dermaßen mit den von ihm zugeteilten Aufgaben, dass sie keine Zeit mehr für eigenes Werkeln hatten.
 
In der Vorstellung „Der gute Mensch von nebenan“ wurden Frauen, wiederbelebt durch Bertold Brechts altes Ego,  als leidende, zerstörte Wesen, die keinen eigenen selbständigen Weg gehen, sondern den Weg des deutschen Dramatikers teilen. Verurteilt wurden sein kaltes Herz und seine Gleichgültigkeit gegenüber den Frauen, die sich ihm aufopferten und dadurch ihre Würde verloren.
 
Jammernder, selbstbemitleidender Gesang von Uschi Plautz und einige danebengegangene Töne dehnen eine knapp einstündige Vorstellung von „Der gute Mensch von nebenan“ in ein unendliches Schauspiel aus. Das Publikum zeigte jedoch seine Begeisterung durch Bravo-Rufe und einen anhaltenden Beifall. 
 
Durch die zum Teil monologische Inszenierung von Christian Thausing spannten sich musikalische Einleitungen aus Songs wie „das Lied von der sexuellen Hörigkeit“, der „Alabama-Song“ und die „Moritat von Mackie Messer“ ein.
 
Gespielt werden Szenen in einer provisorischen Bar, begleitet durch das Akkordeonspiel von Martin Veszelovicz. Wollte man damit die erotische Seite seines Liebenslebens andeuten?  Oder ist es ein „life is a cabaret“ - Hinweis?           
 
„Der gute Mensch von nebenan“ spielt in der Grazer Oper auf der Studiobühne bis 21. April 2013.

vs

Titelbild: Bundesarchiv, Bild 183-M0210-0039 / Reiche, Hartmut / CC-BY-SA
Bild im Text: Bundesarchiv, Bild 183-24300-0049 / Sturm, Horst / CC-BY-SA


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