Das Leben ein Fest > Zu sehen
"Sports is life, sex is a game"
15.04.2013
Die gelungene Inszenierung zeigt die moderne Zivilisation, in der sich Menschen nicht mehr auf natürliche Weise vermehren und von Eltern erzogen heranwachsen, sondern in staatlichen Brut- und Aufzuchtszentren geschaffen werden.

Dabei werden die Menschen in verschiedene Kasten eingeteilt: Die Alphas bilden die höchste Kaste und übernehmen die wichtigsten und verantwortungsvollsten Aufgaben. Die Epsilons hingegen, die niedrigste Kaste, entstehen, indem man den Embryos Sauerstoff entzieht und sie so zu geistig beschränkten Menschen heranzüchtet, die dementsprechend untergeordnete Aufgaben übernehmen. Die Anzahl der jeweiligen Kastenmitglieder richtet sich dabei nach den aktuellen staatlichen und wirtschaftlichen Bedürfnissen.

Lenina gehört zur Beta-Klasse und ist eine perfekte Bürgerin der „schönen neuen Welt“: stets glücklich und angepasst im Verhalten, erfüllt sie ihre Funktion in dieser Gesellschaft vollständig und anscheinend freiwillig. Lenina ist sehr hübsch, großbusig und rothaarig. Sie arbeitet in der Zentrale für Brut- und Normaufzucht. Sie ist ein Objekt der sexuellen Begierde für eine Reihe von Neben- und Hauptfiguren. Ihre Verhältnisse zu Bernard und John scheitern, da beide Männer eine über oberflächliche Freizeitvergnügungen und Sexualität hinausgehende Beziehung zu ihr wünschen, was sie als „unnormal“ empfindet.

Bernard Marx ist ein Außenseiter, zwar intelligent und zur Alpha-Klasse gehörig, aber physisch deutlich kleiner als die anderen Alphas, weswegen er auf der Arbeit mitunter von den anderen nicht respektiert wird. Nur Helmholtz, sein einziger Freund, und Lenina begegnen ihm mit Achtung und Interesse. Er ist uninteressiert an Sport, liebt das Alleinsein, zieht Melancholie dem Soma-Gebrauch vor und gibt oft unkonformistische Bemerkungen von sich.

Helmholtz Watson ist ein Alpha-Plus, der sich durch ein außergewöhnlich gutes Aussehen, seine hohe Intelligenz und seine natürliche, nicht drogenbedingte, ausgeglichene Gemütsart von seiner Gruppe abhebt. Helmholtz ist ein integrer Charakter, der aus echter Überzeugung handelt und Schwächeren wie Bernard unterstützend zur Seite steht.

Mustapha Mond ist der Weltaufsichtsrat für Westeuropa, dem durch Untergebene wie dem Direktor des Zentrums Ehrfurcht und Verehrung entgegengebracht wird. Die Vorstellung eines Gottes und einer menschlichen Seele, die sich nach Schönheit und echten Gefühlen sehnt, ist ihm vertraut, er verdrängt diese philosophischen Gedanken aber zum Wohle der Allgemeinheit. Der Weltkontrolleur ist sich als Alpha-Plus-Plus der negativen Seiten der modernen Welt voll bewusst, verhält sich aber systemkonform, um deren Fortbestand und seine Führungsrolle nicht zu gefährden.

So die Beschreibung der Charaktere der modernen Zivilisation im Jahr 2540.

Wie sieht es nun mit unserer Einstellung hinsichtlich der genetischen Kontrolle, der sexuellen Freiheit, des Kampfes gegen das Altern und der Freizeitkultur aus?

Sind wir eine Lenina, glücklich und angepasst, hübsch, großbusig, ein Objekt der sexuellen Begierde, die ihre Funktion in dieser Gesellschaft in vollster Zufriedenheit erfüllt?

Sind wir ein Bernard Marx, zwar intelligent und zur Alpha-Klasse gehörig, aber physisch kleiner als die anderen Alphas, und auf der Arbeit von den anderen nicht respektiert?

Oder bevorzugen wir es Epsilons, also Angehörige der niedrigsten Kaste zu sein, die dementsprechend untergeordnete Aufgaben übernehmen?

Konditionieren wir uns selbst zu Mitgliedern eines Systems, in dem jeder seine Rolle erfüllt, damit der Staat nicht die Kontrolle über uns verliert?

Und wie steht es mit unseren sexuellen Bedürfnissen? Haben wir Sex, um befriedigt zu werden oder weil es zu einer vermeintlich glücklichen Beziehung gehört?

Sind wir mit unserem Drogenkonsum, unserer Unterhaltungskultur und unserer praktizierten Sexualität weit weg vom inszenierten Bild der fernen Zukunft oder hat die Zukunft schon längst begonnen?

Am 9.04.2013 wurde im Schauspielhaus das Theaterstück "Brave New World" - ein Gastspiel von TNT Theatre Britain und der American Drama Group Europe mit Jonathan de Mallet Morgan, Rachel Middle, Sam Pay, Peter Rae und Rosie Strobel einmalig aufgeführt.


(BS)

Fotos: American Drama Group Europe

die-frau.ch