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Die sexuelle Symbolkraft der Langsemmel
07.09.2013

Das Thema „Torte“ ist in Österreich ein weites Feld. Die Sachertorte gilt als integraler Bestandteil unserer Kultur und auch der Zank, welcher Bäcker nun seine Torte Sacher-Torte oder so ähnlich nennen darf oder auch nicht, machte in den Medien bereits seine Runde.

Dieser Tage hat es wieder eine österreichische Mehlspeise in die Schlagzeilen geschafft: Die Penis-Torte. Nun ist man geneigt zu sagen, das ist per se geschmacklos, aber wenn man weiß, dass das gute Stück vorwiegend für Polterabende und ähnliches gekauft wird, dann ist alles klar: Was haben Polterabende schon mit gutem Geschmack zu tun?

Dass es diese Spezialtorte aber bis vor das Arbeits- und Sozialgericht schafft, damit war nicht zu rechnen.

In Salzburg wird derzeit  ein Bäcker von zwei ehemaligen Mitarbeiterinnen auf Schadenersatz geklagt, weil er den Damen die Torte in Form eines erigierten Penis mit weißer Schokoladenglasur an der Spitze (Schenkelklopfer: Samenerguss. Die Polterabendgäste wollen richtig unterhalten werden) und zwei mit Kokosraspeln bestreuten Schwedenbomben als Hoden mit den fatalen Worten, die Damen würden nun „etwas Gescheites sehen.“, präsentierte.

Überhaupt fühlten sich die Damen durch mehrere Vorkommnisse massiv sexuell belästigt. Imre Juhasz, Sprecher und Vizepräsident des Landesgerichtes Salzburg sprach gegenüber der APA über mehrfache sexuelle Belästigung durch „Vorlage von Backwaren, die dem sexuellen Bereich zuzuordnen sind“. Aha.

Sicher, es stimmt schon, dass die gemeine Langsemmel eine gewisse sexuelle Symbolkraft hat, aber macht uns das zu einer Nation der sexuell Entarteten, nur  weil wir alle tagtäglich in die eine oder andere Teigvagina beißen? Sind dann die die Schlimmsten, die die Semmel beim Bäcker noch ganz warm bestellen? Und was ist mit den Käufern der Reihensemmeln?

Der Kornspitz impliziert bereits die wahre Absicht hinter der heimtückischen Backware: Spitz soll er uns machen, also sexuell erregt. Als ob die perverse Form nicht schon reichen würde!

Auch dem Salzstangerl sollte der Garaus gemacht werden, bevor noch die EU drauf kommt, dass es unanständig lang ist. Sehr gerissen sind die Nussstangerl: Weil sie so süß sind,  verzeiht man ihnen einfach zu viel.

Wie man gut sehen kann, ist das Gros der Bevölkerung bereits völlig betriebsblind was die alltäglichen sexuellen Belästigungen anbelangt. Da brauchen wir zwei Damen aus Salzburg, um uns aus unserem moralischen Dornröschen Schlaf zu holen.

Die beiden klagenden Damen sahen sich am Arbeitsplatz tagtäglich mit diesen triebbehafteten Backwaren konfrontiert. Verschärfend kam noch der Chef hinzu, der eine Penis-Torte als „etwas Gescheites“ bezeichnet. Frei nach Philip Poisel: „Wie soll ein Mensch das ertragen?“

Damit keine Frauen mehr in die Bäckereifalle, in dieses  Sodom und Gomorrha der Grundnahrungsmittel, tappt, sollte es Frauen nicht länger erlaubt sein, im Backgewerbe zu arbeiten. Es mag zwar nicht das älteste Gewerbe der Welt sein, aber einer anständigen Frau ist es jedenfalls nicht zuzumuten.

Bei allen Witzeleien über diese Sache, bleibt einem, vor allem als Frau, das Lachen leider im Halse stecken. Wie ist die Signalwirkung derartiger Gerichtsverfahren? Soll deutlich gemacht werden, dass Frauen die armen „Hascherl“ sind, die man vor der bösen Penis-Torte retten muss?

Wenn es wenigstens um pekuniäre Interessen der Damen ginge, dann wäre das zwar niederträchtig und verwerflich, aber zumindest ein vernünftiger Grund den Bäcker zu klagen. Sich tatsächlich von einer Torte und blöden Herrenwitzen sexuell belästigt zu fühlen, ist schlicht erbärmlich und einer Frau nicht würdig.

Nachdem es ein höchstgerichtliches Urteil gibt, in dem festgehalten wird, dass eine Frau auf einer Firmenfeier vom Arbeitskollegen mit den Worten: „Dich pudere ich sicher nicht.“ sexuell belästigt worden ist, sollte einem eigentlich nichts mehr wundern.  Das Arbeits- und Sozialgericht wird immer mehr zum Arbeits- und Sexualgericht, so hat man den Eindruck.

Da der diesbezügliche Leidensdruck der Frauen am Arbeitsplatz anscheinend immer größer wird, ist es verständlich, dass in der Freizeit zu entspannender Lektüre gegriffen wird, die auch ohne sexuelle Unter- und Übergriffe auskommt: 50 Shades Of Grey zum Beispiel. Das geht es nämlich um die wahre Liebe und Romantik!

KWH


die-frau.ch