Das Leben ein Fest > Zu sehen
Steirisch mit einem Schuss Savoir-Mourir
24.06.2013
Il est Barbe-Bleue ! O gué !
Jamais veuf ne fut plus gai !
(Er ist Blaubart, hollero,
Nie war ein Witwer so lustig
und froh!)

Als Satire auf die lockeren Sitten brachte Jacques Offenbach den „Barbe-Bleu“ erstmals 1866 in Paris auf die Bühne. Er und sein Autorenduo Meilhac-Halévy hatten das Märchen vom Ritter Blaubart in eine gnadenlose Satire auf die lockeren Sitten des Zweiten Kaiserreichs verwandelt.

Blaubart (Johannes Chum, den das Grazer Opernpublikum ab Herbst als Lohengrin wieder sehen wird), der alte Schwerenöter, kann von Frauen nicht genug bekommen und tötet eine nach der anderen, wenn er genug von ihnen hat. Der König Bobêche (Cornel Frey) hingegen tötet sämtliche Männer, die sich seiner Königin (Elisabeth von Magnus) auch nur nähern.  So bringt es der eine auf stattliche 6, der andere auf 5 Morde.

Madame ! ah ! madame !
Plaignez mon tourment ! …
J’ai perdu ma femme,
Ah, bien subitement !
(Barbe-Bleue)
[Madame, ach Madame!
Beweint meine Qual!
Ich verlor meine Frau
ach, ganz auf einmal!
(Ritter Blaubart)]

 
Kurz. Es geht drunter und drüber. Die scheinbar Ermordeten sind quicklebendig und feiern am Ende eine Massenhochzeit. Der Ritter selbst findet letztlich ebenfalls seine Meisterin in der Bäuerin Boulotte (Elisabeth Kulmann). Man ist geneigt sich zu fragen, ob diese Frau überhaupt zurechnungsfähig ist: Er will sie ermorden lassen, um eine andere zu ehelichen. Sie, knapp dem Tode entronnen, phantasiert von seiner Stimme und davon, dass er doch ein toller Hecht ist, um ihn am Ende ein zweites Mal zu heiraten.  

Obwohl der Hintergrund voll an menschlichen und zwischenmenschlichen Tragödien ist, finden wir uns inmitten einer Opéra-bouffe mit einer komischen Geschichte wieder, bei der einem das Lachen manchmal im Halse stecken bleibt.


Neue Wege

Beim „Ritter Blaubart“ (im Original „Barbe-Bleu“) dieser Styriarte handelt es sich um eine halbszenische Aufführung, bei der die Bühnenbilder erstmals durch Animationen ersetzt werden, erklärte Regisseur Philipp Harnoncourt, der auch für Bühne und Licht verantwortlich zeichnet, im Vorfeld der Premiere. In diesem Falle darf man sich das so vorstellen, dass Max Kaufmann und sein Team Skizzen des Regisseurs in Ölbilder und dann in Animationen umwandelten. Wie sich am Premierenabend herausstellte, eine geniale Idee!


Graz  entdeckt das Steirische

Nachdem wir aktuell eine oststeirische Eliza Doolittle in My Fair Lady an der Grazer Oper erleben dürfen, scheint auch Boulotte aus dieser Region zu stammen.

In diese Ritter Blaubart Inszenierung finden die Roma aus Hostice bzw. aus der Herrengasse, genauso Eingang, wie die Raiffeisenlandesbank und die Herren Sinowatz und Kreisky.

Auf der Gästeliste des Hofempfanges taucht ein gewisser Nikolaus d’Hanoncourt de la Fontaine Unverzagt auf, was der König mit: „Steirischer Landadel!“ quittiert und schließlich ersucht Bobêche auch noch den „Maestro Unverdrossen“, er möge dem Chamber Orchestra befehlen, ein Lied zu spielen.

Am Ende stehen sich Ritter Blaubart und Boulotte als Brautpaar in Erzherzog Johann und Anna Plochl Aufmachung gegenüber. „Wo i geh`und steh`…“

Die Familie Hanoncourt beweist charmant Sinn für Humor, was diese Inszenierung noch sympathischer macht, als sie ohnehin schon ist.

Wer Stardirigent Nikolaus Hanoncourt vor kurzem bei Stermann und Grissemann erlebt hat, weiß, dass Coolness einen Namen hat. Den großen Meister aber in seiner „gewohnten Umgebung“ zu beobachten, ist ein ganz besonderes Erlebnis. Von dieser Liebe zur Musik muss man einfach mitgerissen werden.

Das größte Kompliment, das wir vergeben können, kommt von unserem Nachwuchsredakteur Laurenz (7). Dieser ist dafür bekannt, dass er die „Letztes Drittel Hürde“ nicht überwindet. Egal ob am Londoner West-End oder in der Wiener Staatsoper: Im letzten Drittel einer jeden Aufführung übermannt ihn die Müdigkeit. Vom Orchester ins Land der Träume begleitet schläft er ein, um am nächsten Morgen zu fragen, was am Ende noch passiert sei.

Obwohl die Styriarte Inszenierung von 19h30 bis ca. 23h00 dauerte, stand die Schlaffee diesmal auf verlorenem Posten: Zu spannend war die Geschichte, zu lustig so manche Szenen, zu schön die Musik und der Gesang und zu viel „Action“ war auf der Bühne.

Dem können wir nichts mehr hinzufügen außer: Bravo!


KWH

Titelbild: Sophie Marin-Degor (Fleurette), Markus Schäfer (Le prince Saphir). Photo Credit: Werner Kmetit
Bild Nr 1: Sébastien Soulès (Popolani), Arnold Schoenberg Chor. Photo Credit: Werner Kmetitsch
Bild Nr 2: Elisabeth Kulman (Boulotte), Johannes Chum (Barbe-Bleue)



Elisabeth Kulman, Mezzosopran (Boulotte)
Johannes Chum, Tenor (Le Sire de Barbe-Bleue)
Sophie Marin-Degor, Sopran (Fleurette)
Cornel Frey, Tenor (Le roi Bobêche)
Sébastien Soulès, Bass (Popolani)
Thomas E. Bauer, Bass (Le comte Oscar)
Markus Schäfer, Tenor (Le prince Saphir)
Elisabeth von Magnus, Mezzosopran (La reine Clémentine)
Arnold Schoenberg Chor
Chamber Orchestra of Europe
Nikolaus Harnoncourt, Dirigent
Philipp Harnoncourt, Regie, Bühne & Licht
Elisabeth Ahsef, Kostüme
 

die-frau.ch