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Risse im Scherenschnitt
10.12.2011

Ein verschuldeter österreichischer Graf (Christian Zenker) verdreht einer Prinzessin (Margareta Klobučar) den Kopf. Diese wiederum überredet ihren Vater (Götz Zemann) das Gräflein als ihren Prinzgemahl zu akzeptieren und schon war es geschehen. Noch nicht einmal so recht verliebt, war der Graf, Leutnant Niki, auch schon verlobt und verheiratet.

Fern der Wiener Heimat sollte er fortan leben und seine einzige Aufgabe, gleich einem Zuchthengst, erfüllen. Der gute Graf Niki hält sich dafür aber für zu schade und tritt in den Ehepflichtenstreik.

Ganz braver Österreichischer hält er sich nicht mit strategischen Überlegungen auf, wie er aus dieser Sache eventuell wieder herauskommen könnte. Nein. Er jammert, ändert nichts und sucht Zerstreuung. Diese ist dank einer Wiener Damenkapelle in Form der feschen und reschen Kapellmeisterin (Sieglinde Feldhofer) auch schnell gefunden.

Es kommt, was kommen muss – gebrochenes Herz für die Kapellmeisterin Franzi inklusive.

Das ganze Schloss sucht den abhanden gekommenen Prinzgemahl. Der wilde Hengst muss eingefangen werden!
Während Niki noch singt: „Einmal noch beben Eh’ es vorbei – Einmal noch leben – Lieben im Mai!“, zeigt sein Schwiegervater durchaus Verständnis für den Österreicher.

Ein Mann müsse sich vor allem in jungen Jahren auch anderen Frauen als der eigenen Ehefrau zuwenden, um dann wieder mit Freude zu eben jener zurück zu kehren und seine Pflichten erfüllen zu können. Er beschließt sogar, seinem Schwiegersohn eine solche „Zerstreuung“ zu organisieren und zu spendieren. Strizzitum auf höherem Niveau. Für den Zuseher des 21. Jahrhunderts ist das eine befremdliche Haltung. Andererseits ist zu bedenken, dass zur Jahrundertwende nur die wenigsten wegen des guten Essens nach einen Opernvorstellung ins Sacher gingen. Séparées bei der Oper und beim anschließenden Souper waren von epochaler Bedeutung. Mann brauchte schließlich neue Kräfte, um das schwere Kreuz der Ehe wieder ein Stück des langen, beschwerlichen Weges tragen zu können.


Alles in allem war es eine ehrlichere Haltung dem außerehelichen Leben gegenüber. Heutzutage betrügen Männer ihre Frauen nicht. Die kleine Garçonniere in der Innenstadt ist doch nur eine Wertanlage.


Natürlich folgt das bittere Ende namens Rückkehr in die Realität auf dem Fuße: Graf Niki will Prinzessin verlassen und erhält dafür auch noch die Erlaubnis der Prinzessin. Mit den Worten: „Ich gebe dir die Freiheit.“, trennen sich die beiden – kurz. Zu Recht sitzt der Prinzgemahl am Ende mit seiner kaffeeservierenden Ehefrau zu Tode betrübt am Tisch. Wie frei ist man schon, wenn ein anderer die Macht hat, sie einem zu schenken?


Das Bühnenbild in Form eines Biedermeier Scherenschnitts und die dazupassenden Kostüme auf der Wiener Seite (die Flausenthurner bestechen eher durch nüchternen Grau-In-Grau-Chic) entführen das Publikum in das Alte Wien. Die Musik des Oscar Straus und die gesangliche Leistung des Ensembles sind ideale Wegbegleiter. Ein sehr kurzweiliger Abend mit allen Clichés, die unser schönes und bisweilen verhaltensoriginelle Land zu bieten hat. Da hat sogar der Mensch gewordene Kaiserschmarren (reizende Choreographie von Allen Yu) auf der Bühne Platz.


Tu felix Austria…


KWH

Fotos: Dimo Dimov
 


die-frau.ch