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Carmen
04.11.2011

Die französische Oper nach der Textvorlage der Novelle von Prosper Mérimée handelt vom Soldaten Don Jóse, der sich von der Zigeunerin Carmen verführen lässt und durch sie in einem Strudel von Eifersucht und unkontrollierbaren Gefühlen auf die schiefe Bahn und ihrem gemeinsamen Ende entgegen gerät – dem Ende ihres Lebens und dem endgültigen Ende seiner Würde und seines alten Ichs.
Carmen in der Volksoper Wien – eine gelungene Vorführung von Georges Bizet’s Opéra comique, jedoch mit ein paar Kritikpunkten. Adrineh Simonian konnte in der Rolle der Carmen zwar schauspielerisch, aber nicht akustisch überzeugen. Obwohl das zu Beginn eher weniger vorhandene Klangvolumens von Akt zu Akt zunahm, fehlte der Stimme trotz allem das, was Carmen ausmachen sollte – Selbstbewusstsein, Feuer und Präsenz. Mag sein, dass sie das alles besitzt, doch es war nicht spürbar denn – ihre Stimme war schlichtweg zu leise, ihr fehlte die Kraft und Carmen wurde so nicht nur von ihren beiden Freundinnen Frasquita (Andrea Bogner) und Mercedes (Manuela Leonhartsberger), sondern auch von der unschuldigen schüchternen Mica?la (Caroline Melzer) stimmlich in den Schatten gestellt.
Weiters schien der Todesstoß am Ende ein wenig unrealistisch, nicht ganz passend zu den dramatischen Szenen, die sich davor abgespielt hatten, schien Carmen sich am Ende direkt in Don José’s (gesungen von Arnold Rutkowski) Messer zu werfen – eher ein suizidaler Akt, als die Bluttat eines verzweifelten Mannes (das Arnold Rutkowski den vor Eifersucht Rasenden, der zu allem bereit ist besser darstellen kann, konnte man im dritten Akt sehen). Besonders glaubwürdig wirkte Eglis Silins in der Rolle des Stierkämpfers Escamillo – sich seiner Männlichkeit und seiner Wirkung und Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht durchausbewusst.
Das Orchester, dirigiert von Julia Jones, bildete trotz einiger weniger Unstimmigkeiten einen würdigen Rahmen für die Geschehnisse im südspanischen Sevilla und machte es so dem Zuschauer nicht schwer, sich von den Darbietungen mitreißen zu lassen.
In der Musikgeschichte gilt Carmen als Vorbild des Realismus, besser gesagt des romantischen Realismus‘. Allerdings sollte man sich bei der Bezeichnung „Romantik“ Bizet’s Appell ins Gedächtnis rufen, nämlich, nicht Romantik mit Sentimentalismus zu vermischen und als billige Rahmenhandlung mitlaufen zu lassen – ganz nach dem Motto des französischen Frühromantikers Senancourt: „Die sentimentale Poesie verführt die lebhafte blumige Phantasie, nur wahre Romantik erreicht Seelen mit Tiefgang und echter Sensibilität“.
 Die Inszinierung der Volksoper wurde diesen Ansprüchen gerecht und brachte mit dieser Vorstellung die Faszination Carmen der Öffentlichkeit, oder besser gesagt den Auserwählten, die sich noch eine Karte ergattern konnten, als durchaus sehenswerte Oper näher.

mg


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