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Moretti, Mackie Messer und die Dreigroschenoper und das Theater an der Wien
25.03.2016
Wir wollten es genau wissen: Was ist dran, dass Kritiken schlecht sind und trotzdem Karten am Schwarzmarkt gehandelt werden.

Wir waren zu dritt, eine mit Pressekarte im Parterre und zwei in einer selbstbezahlten Loge. Das Theater an der Wien, in dem diese Aufführung stattfand, ist im Rahmen der Wiener Festwochen vor Jahren wieder für den Opernbetrieb entdeckt worden, nachdem es bereits nach dem 2. Weltkrieg als Ausweichquartier der Staatsoper mit Dirigentem Karl Böhm und anderen sensationelle künstlerischen Mozartopernerfolgen die Bühne gab.

Die Dreigroschenoper ist eine Aneinanderreihung von Gassenhauern, von Liedern, die man früher kannte, mittlerweile hat sich der Musikgeschmack soweit verändert, dass diese Lieder nicht mehr Allgemeingut sind.

Am Beginn, in der ersten Halbzeit würde ein Sportfan sagen, ging das wie in einer Sitcom- Seriensendung, wobei jede Pointe ein Lied lang dauerte, und damit nicht mit der raschen Abfolge von Sitcoms mithalten konnte, bei denen jede Pointe, egal wie schlecht sie ist, die nächste im Minutentackt jagen muss, um nicht den Zuseher zu verlieren.

Hier im Theater kann man schlecht aufstehen, sodass man sich von Vornherein auf eine gemütlichere Abfolge einstellt und zwischenzeitlich auch der Blick von der Bühne weg auf andere Zuseher, das Theater bis hinauf zur Laufschrift, wandert, auf welcher Texte angezeigt werden, die gerade gesungen werden. Das war insofern spannend, als man feststellt, dass das,  was dort über das Laufband läuft, nicht wortgleich ist mit dem was gesungen wird, aber fast.

Nach der Pause geht es weitaus schneller und vor allen Dingen, realisiert man auf einmal mit Entsetzen, dass das, was da auf der Bühne an Greuel des Milieus gezeigt wird, heute der Alltag ist.

Es ist heute allgemein bekannt, dass man für eine Handvoll Euro einen Mord bestellen kann und im Dschungel der Stadtteile die Gefahr an jeder Ecke lauert und zuschlägt. Es packt einen auf einmal, wenn man erkennt, wie zeitlos das ist, was da gezeigt wird, und dass der Mensch eine Bestie ist, und mittendrin der Versuch der Mannwerdung des Mackie Messer.

Es ist bekannt, dass Alexander der Grosse nur einer der Heerführer war, die schwul waren. Wenn man Schwulsein als Verweigerung des Erwachsenwerdens, der Mannwerdung, sieht, dann versteht man auch, warum die Pubertären, Halbwüchsige, in diesen Stadtteilsümpfen so gewalttätig sind und sich gleichzeitig als verletzlich geben und so von den Frauen, egal ob jung oder alt, am Erwachsenwerden gehindert werden.

Mackie Messer sagt zu Jenny, als die ihm das Frausein vorspielt: „Verstell Dich nicht“, und drückt damit die Sehnsucht jedes Mannes, oder jedem der Mann werden will, aus, eine Frau zu erleben, die Wahrhaft ist und nicht etwas vorspielt.

Selbst am Weg zur Hinrichtung erlebt Mackie Messer zuerst Tadelungen, wie ein kleiner Schulbub, und als er die Verantwortung auf sich nehmen will, wird er von einer Frau vor der Mannwerdung gerettet.

Das Publikum ist von der Aufführung begeistert, vor allen Dingen, weil es die negativen Kritiken nicht versteht und sich gerade wegen der negativen Kritiken, mit dem was da das Theater an der Wien auf die Beine gestellt hat, auseinandersetzt und der nackte Oberkörper von Tobias Moretti ist eine Draufgabe, die durchaus zu diesem Opernhaus, Theater an der Wien, wie auch zu dem Stück passt. Am Ende sind wir alle nackt.

Backstage-Video

Ulrike Mayer

die-frau.ch