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Jeder ist gehandicapt – entweder sozial oder finanziell, manche auch psychisch
10.05.2014
„Das Leben ist kein Champagnertrinken“, - sagt Philippe (Michael Dangl) entschlossen auf Magalies (Silvia Meisterle) Aussage „Es war schon der 13. für heute“. Der 13. Bewerber für die Stelle eines Pflegers für den wohlhabenden Mann. Philippe ist querschnittgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen und wird dadurch als ein Behinderter, ein nicht gleichwertiger Mensch, behandelt. Philippe selbst sucht nach einer zwischenmenschlichen Beziehung, wo er von der Umgebung nicht anders als ein gleichwertiger behandelt wird. „Genau das ist es! Das ist es, was ich will! Kein Mitleid!“, so Philippe (Michael Dangl).

Jeder ist gehandicapt – entweder sozial oder finanziell, manche auch psychisch. Nur kann das der Grund dafür sein, sein eigenes Leben aufzugeben? Denn immerhin hat man etwas, worauf man das eigene Glück aufbauen kann. Der Punkt ist: zusammen kann man viel mehr aufbauen als alleine. Insofern ergänzen Philippe und Driss (Nikolaus Okonkwo) einander perfekt. Philippe hat ein lebendiges Gehirn und Driss den Mut, über den Tellerrand zu schauen und Grenzen zu überschreiten.

Michael Dangl spielt so natürlich, dass man ihm zu keinem Zeitpunkt anmerken kann (bis auf das Verbeugen am Ende der Inszenierung, wobei er aus dem Rollstuhl steigt), dass ihm sein Körper nicht hörig ist. Seine Mimik und der Redefluss sagen viel mehr als Tausende Bewegungen.

Driss, der gerade erst aus dem Gefängnis rausgekommen ist, findet durch das Zusammenleben mit Philippe und das Aufeinanderprallen von zwei unterschiedlicher nicht sein könnenden Menschen einen Lebenssinn. Driss findet sein Talent in der Kunst, und mithilfe von Philippe fängt seine Karriere an. Philippe fasst Mut, ein neues Leben anzufangen.

Wenn am Anfang die Abwesenheit der aufregenden Autofahrten und Rally-Touren mit dem Rollstuhl der Bühnenfassung der erfolgreichen französischen Filmkomödie „Ziemlich beste Freunde“ die Spannung nimmt, so wird der Zuschauer im weiteren durch die Emotionslawine mitgerissen. Die Szenen spielen in den spärlich dekorierten Räumlichkeiten der Villa von Philippe. Als einzige Dekoration dienen 30 Fabergé-Eier, die Philippe als Andenken an die 30 Jahre seiner Ehe aufbewahrt. Die Darstellung ist begrenzt auf drei Protagonisten: Philippe, Driss und Magalie.  

Nikolaus Okonkwo spielt stark und verleiht Driss neben der lockeren Lebenseinstellung einen gewissen Charme, der ihn am Ende der Vorstellung erwachsener aussehen lässt. Und wenn Silvia Meisterle am Anfang als eine kühne und bedachte Chefin vorkommt, so zeigt sie im weiteren ihre emotionale Seite und bleibt das ganze Stück durch unheimlich weiblich.

Die finale Szene lässt eine Fragen offen: wie wird die Beziehung zwischen Philippe und seiner neuen Freundin aussehen? So ein Verhältnis kann nur ein reines Geldgeschäft sein, könnte man behaupten. Wobei ist es höchst kritisch wie es mit der Sexualität eines Querschnittgelähmten aussieht. Philippe selbst deutet darauf, dass seine Ohren in der Früh nach schamlosen Träume rot sind, oft sind sie sogar hart. Und seine Zunge hätte er auch noch. Könnte wohl doch noch alles glatt laufen?

Eine gelungene Vorstellung. Nur den Joint auf der Bühne zu rauchen hätte man sich ersparen können.

VS

Fotos: Sepp Gallauer
 

die-frau.ch